Selbst trans ist zu binär

Mit dem autobiografischen Roman "Blutbuch" gewann die nicht binäre Person Kim de l'Horizon kürzlich den Buchpreis. Ist die Auszeichnung verdient? Die Verleihung sorgte für Aufsehen, die Reaktionen reichten von Bewunderung bis Stirnrunzeln: Als Kim de l'Horizon vor Kurzem auf einer Bühne in Frankfurt den Deutschen Buchpreis entgegennahm, wurde der Literaturbetrieb Zeuge eines ganz besonderen Moments. De l'Horizon, geboren 1992 in der Schweiz, identifiziert sich weder als Mann noch als Frau, sondern als nicht binär. Den Preis widmete die Person an diesem Tag allen protestierenden Frauen im Iran – und nahm einen elektrischen Rasierer zur Hand, um sich aus Solidarität selbst den Kopf zu scheren. Im Saal gab es Standing Ovations, andere Kommentatoren kritisierten das Auftreten als übermäßige Selbstdarstellung. In der neuen Folge des Podcasts "Die sogenannte Gegenwart" geht es um diese spektakuläre Szene – aber vor allem um den autobiografischen Roman, für den Kim de l'Horizon ausgezeichnet wurde. Im "Blutbuch" verarbeitet de l'Horizon die eigene Herkunftsgeschichte: Erzählt wird das Aufwachsen in einer Schweizer Arbeiterfamilie, die Beziehung zur Mutter, einer Friseurin, die sich für Hexengeschichten begeistert. Vor allem aber steht die Großmutter im Mittelpunkt des Romans – und die Generationen der Frauen, die sich zum Familienstammbaum verbinden. Kim de l'Horizon gelingt es mit dem "Blutbuch" auf besonders geschickte Weise, unsere gegenwärtigen identitätspolitischen Diskurse zu bespielen. Im Feuilletonpodcast fragen sich Ijoma Mangold und Lars Weisbrod: Wenn Geschlechter nicht binär sind, sind wir dann alle nonbinär? Und ist es der Auftrag von de l'Horizons Generation, dass sie jene Traumata endlich aufarbeitet, die von Eltern an ihre Kinder, von Familie zu Familie weitergegeben wurden? Und welche Rolle spielt dabei das Sprechen und die Sprache, die de l'Horizon in dem Roman immer wieder thematisiert?

Om Podcasten

Was verraten Netflix-Kochshows über unsere Gesellschaft? Ist woke das neue narzisstisch? Und warum trinken jetzt eigentlich alle Ingwershots? Wir sprechen über Phänomene, die unsere Gegenwart ausmachen – die ZEIT-Feuilleton-Redakteure Nina Pauer, Ijoma Mangold, Lars Weisbrod und Apples Sprachassistentin Siri begleiten die Hörerinnen und Hörer durch die Jetztzeit. Dieser Podcast wird produziert von Pool Artists. Falls Sie uns nicht nur hören, sondern auch lesen möchten, testen Sie jetzt 4 Wochen kostenlos Die ZEIT: www.zeit.de/podcast-abo