"In einem fremden Land, ohne Freunde, das war sehr hart." - #24ESD - Doris Kaufmann

Bevor sie nach Südamerika auswanderte, hatte sich Doris Kaufmann nie jüdisch gefühlt. In der Emigration spielt für sie das Jüdische dann doch eine vergleichsweise große Rolle. Als sie 1956 heiratet, tritt sie zum Judentum über. Die Schwiegereltern wollen es so. Ihre Kinder sind folglich Juden, „aber sie machen keinen Gebrauch davon. Ich hätte es mir also sparen können.“ „Was ist eine Jüdin?“ fragt Doris Schwester eines Tages im Jahre 1936, als sie von der Schule nach Hause kommt. Auf der Straße war sie als solche beschimpft worden. Dass der Vater Jude ist, haben die Töchter nicht gewusst. In dieser Folge erzählt Doris Kaufmann, geborene Hammerschmidt, ausführlich von ihrer Fluchtgeschichte. In die USA oder nach Argentinien wollen die Eltern auswandern. Doch für Nordamerika bekommen sie kein affidavit, obwohl der Bruder des Vaters dort lebt. Die Einreisevisa nach Argentinien kann sich die Familie nicht leisten. Dann erinnert sich der Vater an einen Jugendfreund, der nach Paraguay ausgewandert war und schreibt ihm. Und tatsächlich fordert er sie an, obwohl er versichern muss, dass er für die Einwanderer aus Deutschland aufkommen wird. „Das war wirklich eine große Sache“. Ihr Vater verunglückt 1941 mit dem Pferdewagen. Da waren sie nur noch zu dritt. "In einem fremden Land, ohne Freunde, das war sehr hart." Nach 12 harten Jahren in Paraguay stirbt auch die Mutter und Doris geht zu ihrer Schwester nach Buenos Aires. Wieder muss sie sich ein neues Leben aufbauen. Doch am Ende ihres Lebens resümiert sie: In der Gesellschaft der deutschen Juden in Buenos Aires hat sie sich aber nie richtig integriert gefühlt. „Ich hatte immer das Gefühl, ich muss sagen, dass ich gar nicht jüdisch bin.“ Darunter habe sie immer sehr gelitten. Egal, wo sie war und mit wem, „ich habe nie gewusst, wo ich hingehöre“ und das wird sich wohl auch nicht mehr ändern.

Om Podcasten

"Wir können doch nichts dafür. Deutsch ist und bleibt unsere Muttersprache." In San Miguel, einem Ort nördlich von Buenos Aires, steht das Hogar Adolfo Hirsch, das Altenheim der Deutsch sprechenden Juden Argentiniens. Ungefähr 170 alte Menschen leben hier, inmitten eines großzügigen blühenden Parkgeländes. Alle sind Einwanderer der ersten Generation. Sie sind in Deutschland, Österreich oder Ungarn geboren und ihre Lebensgeschichten sind bis heute eng mit Deutschland verknüpft, mit dem Deutschland der Nazizeit. Wir haben 49 von ihnen besucht, um mehr über ihr Leben zu erfahren. Einige haben wir in ihren Zimmern aufgesucht, andere im Park getroffen oder in der Stadt. Hier erzählen 49 Männer und Frauen von ihrer Emigrationsgeschichte, ihrem Verhältnis zu Argentinien und ob sie je darüber nachgedacht haben, wieder in Deutschland zu leben. Die Initiatorin des Projektes, Corinna Below (Journalistin) spricht in diesem Podcast mit ihrem Freund und Kollegen Carsten Janz über die Schicksale der Vertriebenen. Dazu sind Gäste geladen, Experten aber auch Verwandte oder Zeitzeugen. Und auch aktuelle politische Entwicklungen werden hier besprochen. Gegen das Vergessen.