„Meine Mutter hat mich zweimal geboren.“ - #06ESD - Lesung Juan Breitbart

Er sagt, seine Mutter hätte ihn zweimal geboren. Einmal am 25. September 1916. In Berlin. Dann nochmal am 13. September 1938, wenige Tage vor seinem 22 Geburtstag. Da flieht er nach Bulgarien, dann nach Paris und bald über Genua nach Montevideo, Uruguay. Nur seiner Mutter habe er das zu verdanken, erzählt er im Interview 2004. Er flieht ganz allein und bleib allein. 13 Jahre lang. Im Hogar Adolfo Hirsch, dem Altenheim für Deutsch sprechende Jüdinnen und Juden spielt der Junggeselle entweder mit sich selbst Schach, liest oder pflegt die Blumen auf seinem Balkon und noch dazu die seiner Zimmernachbarin, denn sie hat nicht so viel Sinn für Pflanzen wie er. Kontakt zu den anderen Heimbewohnerinnen und Heimbewohnern ist ihm nicht so wichtig. Er ist es gewöhnt, allein zu sein.

Om Podcasten

"Wir können doch nichts dafür. Deutsch ist und bleibt unsere Muttersprache." In San Miguel, einem Ort nördlich von Buenos Aires, steht das Hogar Adolfo Hirsch, das Altenheim der Deutsch sprechenden Juden Argentiniens. Ungefähr 170 alte Menschen leben hier, inmitten eines großzügigen blühenden Parkgeländes. Alle sind Einwanderer der ersten Generation. Sie sind in Deutschland, Österreich oder Ungarn geboren und ihre Lebensgeschichten sind bis heute eng mit Deutschland verknüpft, mit dem Deutschland der Nazizeit. Wir haben 49 von ihnen besucht, um mehr über ihr Leben zu erfahren. Einige haben wir in ihren Zimmern aufgesucht, andere im Park getroffen oder in der Stadt. Hier erzählen 49 Männer und Frauen von ihrer Emigrationsgeschichte, ihrem Verhältnis zu Argentinien und ob sie je darüber nachgedacht haben, wieder in Deutschland zu leben. Die Initiatorin des Projektes, Corinna Below (Journalistin) spricht in diesem Podcast mit ihrem Freund und Kollegen Carsten Janz über die Schicksale der Vertriebenen. Dazu sind Gäste geladen, Experten aber auch Verwandte oder Zeitzeugen. Und auch aktuelle politische Entwicklungen werden hier besprochen. Gegen das Vergessen.