Clärenore Stinnes (1901–1990) 

Clärenore Stinnes liebte die Geschwindigkeit und scheute keine Gefahren. Eine Karriere im Konzern ihres Vaters Hugo Stinnes blieb der intelligenten jungen Frau trotz ihrer zahlreichen Talente verwehrt. Also wurde sie Rennfahrerin und umrundete als erster Mensch mit einem serienmäßigen Personenwagen die Welt.  *** Clärenore Stinnes war keine politische Kämpferin, die sich für die Gleichberechtigung von Frauen eingesetzt hätte. Dennoch führte sie für viele Jahre ein Leben jenseits der Norm und war nicht gewillt, sich in die Rolle zu fügen, die die Gesellschaft und vor allem ihre Mutter für sie vorgesehen hatte.  Ein Rennfahrer in der Familie Hausfrauliche Tätigkeiten interessieren Clärenore nicht, eine Ehe schließt sie zunächst für sich aus. Früh entdeckt sie ihre Liebe zu Autos und lernt schon mit 11 Jahren heimlich das Autofahren, indem sie die Chauffeure ihres Vaters dazu bringt, sie ans Steuer zu lassen. Der Rennfahrer Robert Dunlop aus der britischen Reifendynastie ist mit ihrer Tante Nora verheiratet. Er begeistert sie für Geschwindigkeit und mit 18 macht Clärenore den Führerschein. Ihr Vater Hugo Stinnes, der «Ruhrbaron» genannt, herrscht über einen Industrie- und Handelskonzern von enormer Größe. Auch die Berliner Teststrecke AVUS gehört zu seinem Imperium, dort trainiert sie nun regelmäßig ihre Fähigkeiten und scheut sich auch nicht, sich schmutzig zu machen, verbringt viel Zeit in der Werkstatt und lernt, wie man Autos repariert.  Glanz und Glamour in Berlin Hugo Stinnes fördert seine Tochter auch deshalb, weil sie ihm von all seinen Kindern am ähnlichsten ist. Als er unerwartet im April 1924 mit 54 Jahren verstirbt, bedeutet das für Clärenore nicht nur einen großen persönlichen Verlust, sondern auch einen Rückschlag hinsichtlich ihrer beruflichen Ambitionen.  Alleinerbin des Konzerns ist ihre Mutter Cläre, und die verlässt sich völlig auf die beiden ältesten Brüder. In dem Imperium aus Zechen, Seeschiffen, Handelsflotte, Hotels, Druckerei und Speditionsfirmen – knapp 300 Firmen insgesamt – ist für sie keine Position vorgesehen. In der Hyperinflation des Jahres 1925 ruinieren die Brüder das Lebenswerk des Vaters, während Clärenore im fernen Berlin ihr Leben lebt. Sie trägt Anzüge mit Schlips, raucht Kette und tanzt im Kempinski, es heißt über sie, sie habe einen rauen Charme und viel Humor.  Clärenore Stinnes auf einem Tanzball der Berliner Secession 1926 Clärenore Stinnes: Europas erfolgreichste Rennfahrerin  Mit 24 Jahren fährt sie unter dem Pseudonym Fräulein Lehmann ihr erstes Autorennen und feiert bis 1927 17 Rennsiege, fast ausschließlich gegen Männer. Von den Zeitungen wird sie als «Europas erfolgreichste Rennfahrerin» gehandelt. 1925 nimmt sie an der internationalen allrussischen Prüfungsfahrt teil, einer Rallye von St. Petersburg über Tiflis nach Moskau. Das Land ist damals noch weitgehend straßenlos, die Herausforderungen extrem. Clärenore Stinnes gewinnt als einzige Frau unter 52 Männern den dritten Platz. Anschließend fasst sie den Entschluss zur Weltumrundung. Die Reiseroute soll über den Balkan und den Nahen Osten durch Russland nach Sibirien führen, dann durch Asien, über Japan und Hawaii nach Mittel- und Südamerika, über die Anden nach Chile, einmal durch die USA und wieder zurück nach Europa. 460 Kilometer bei bis zu 53 Grad plus und bis zu 50 Grad unter null, hinweg über weglose Wüsten und unerschlossene Gebirgsketten. Der Adler Standard 6 Das Auto, das Modell Adler Standard 6, verfügt über 45 PS, drei Gänge und sechs Zylinder. Natürlich gibt es weder GPS, Servolenkung, Klimaanlage oder ein Satellitentelefon. Ein Begleitfahrzeug transportiert Ersatzteile,

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Inspirierende Portraits von Frauen aus Wissenschaft, Wirtschaft, Technik und Politik, vorgestellt von Susanne Popp und Petra Hucke, Autorinnen historischer Romane. Habt ihr schon einmal gehört, dass die Brooklyn Bridge von einer Frau gebaut wurde? Wisst ihr, wer die Veuve Cliquot hinter der berühmten Champagnermarke war? Kennt ihr mehr als die Namen der Umweltaktivistin Rachel Carson, der promovierten Ärztin Dorothea Erxleben, der Naturforscherin Amalie Dietrich oder der Mathematikerin Ada Lovelace? Wir lesen ihre Biografien, erforschen ihre Hintergründe und präsentieren euch alle vierzehn Tage den Lebenslauf und die Lebensleistung von Frauen, die prominenter in unseren Geschichtsbüchern auftauchen sollten. Das beginnt mit universalgelehrten Frauen im frühen 17. Jahrhundert wie Anna Maria Schurmann und endet mit Politikerinnen kurz vor unserer Zeit wie Elisabeth Schwarzhaupt. Wir stöbern in Europa genauso herum wie in Nordamerika, strecken die Fühler jedoch nach und nach immer weiter aus. Starke Frauen können uns mit ihrer Durchsetzungsfähigkeit als Vorbild dienen, denn gerade in vergangenen Jahrhunderten hatten sie immer Schwierigkeiten, sich zu behaupten und einen Platz in der von Männern dominierten Welt zu finden. In unserem Podcast bekommen sie die Aufmerksamkeit, die sie verdient haben. Weitere Hintergrundinformationen zu den einzelnen Folgen und zu uns als Hosts findet ihr auf https://frauenleben-podcast.de, wo wir auch einen Blog mit weiteren Biografien und Fundstücken führen. Susanne Popp veröffentlicht in diesem Jahr beim Rowohlt-Verlag eine historische Romanbiografie über die Veuve Cliquot, die Frau hinter der gleichnamigen Champagnermarke. "Madame Cliquot und das Glück der Champagne" ist zur Zeit noch in Arbeit, aber der Erscheinungstermin steht bereits fest, nämlich der 17. November 2020 (ab 1. November als E-Book). Freut euch auf eine ebenso spannende wie unterhaltsame Geschichte über eine mutige Frau, die in schwierigen Zeiten ihren eigenen Weg geht. Petra Hucke hat nach einem Mystery-Thriller den historischen Roman "Solch ein zephyrleichtes Leben" über die Tänzerin Ida Brun veröffentlicht. Im Juli 2021 erscheint beim Piper-Verlag die Romanbiografie „Die Architektin von New York“ über Emily Warren Roebling und ihre Lebensgeschichte, die sie selbst wohl nie so hätte voraussehen können. Weitere Frauenbiografien, für die wir bereits Episoden veröffentlicht oder fest eingeplant haben: Die Archäologin Mary Leakey, die studierte Ärztin und Lehrerin Maria Montessori, die erste US-Präsidentschaftskandidatin Victoria Woodhull, die Juristin und Frauenrechtlerin Iris von Roten, die Physikprofessorin Laura Bassi, die Erfinderin Hedy Lamarr und die Chemikerin Alice Augusta Ball. Habt ihr Vorschläge für weitere Geschichten von Frauen? Wir freuen uns auf eure Ideen! Einfach eine Email schreiben an kontakt@frauenleben-podcast.de