Laura Bassi (1711–1778)

Die erste Universitätsprofessorin Europas inspirierte ihre Zeitgenossinnen und Zeitgenossen. Sie galt als Wunderkind, lehrte später Philosophie und Physik an der Universität von Bologna und ließ trotz Heirat und acht Kindern die Wissenschaft nicht ruhen. Wie sie die an sie gestellten Erwartungen erfüllt und doch ihren ganz eigenen Weg geht, erzählt diese Podcastfolge.  *** Sie sei «die deutsche Bassi» – diese Aussage begegnete mir mehrfach bei meinen Recherchen zu der eigenwilligen Frau Doktor Erxleben, der wir kürzlich schon eine Episode gewidmet haben. Naheliegend also, zu schauen, wer denn bitteschön «die Bassi» war?  Laura Bassi gilt schon früh als Wunderkind, das von den Eltern herumgezeigt und vorgeführt wurde. Ähnlich wie Mozart, der ja auch von seinem Vater ausgestellt wurde. Ehrgeizige Eltern gehören zu Wunderkindern einfach dazu. Laura muss Rechenkünste vorführen oder wissenschaftlich «disputieren». Ganz entzückt ist man davon, was das Mädchen so alles kann und weiß.  Abb. von Mailsapartbassimore Sie lebt in Bologna und ist die einzige Tochter eines Juristen. Eine wohlhabende und angesehene Familie mit Verbindungen zu adligen Kreisen. Die Brüder sind verstorben. Für Mädchen ist keine schulische Ausbildung vorgesehen, daher wird Laura von ihren Cousins zu Hause unterrichtet.  Laura Bassis Erziehung steht somit in der Tradition eines Kuriosums, welches im Renaissance-Humanismus entstanden war. Das Anliegen des Humanismus, Bildung und Studium in den antiken Sprachen, ihrer Literatur und Kultur zu fördern, ermöglichte nämlich auch einigen ausgewählten Mädchen und Frauen Zugang dazu, üblicherweise durch männliche Familienangehörige, also Brüder oder Väter – eine Parallele übrigens zu Dorothea Erxleben, die von ihrem Vater unterrichtet wurde.  Die Gesellschaft liebt Wunderkinder Das Phänomen der Wunderkinder gab es nicht nur in Italien, sondern auch in anderen europäischen Ländern, je jünger, je kurioser. Auch Knaben konnten Wunderkinder sein, doch Mädchen waren eben noch interessanter. Die italienischen Humanistinnen verkörperten zudem eine zweite Eigenschaft, nämlich die der keuschen Jungfräulichkeit. Studium und Heirat schlossen einander normalerweise aus.  Als Laura Bassi etwa 14 Jahre alt ist, übernimmt es ein gewisser Gaetano Tacconi, Arzt der Familie Bassi und Universitätsprofessor, sie in Logik, Metaphysik und Naturphilosophie zu unterrichten. Er machte sie sehr wahrscheinlich auch mit dem wissenschaftlichen Streitgespräch bekannt. Für Laura Bassi ist dies etwas vollkommen Neues. Zuerst hatte sie die Grundlagen gelernt, um wissenschaftliche Texte überhaupt lesen zu können. Nun lernt sie auch etwas über die Inhalte und sie lernt, aktiv Wissenschaft zu betreiben. Wissenschaft sah damals so aus, dass man über Texte Rede und Gegenrede hielt– das war die Ausdrucksform schlechthin an der Universität und darüber hinaus, denn eine öffentliche Disputation spielte auch allgemein in Bologna eine wichtige Rolle.   Ein Spektakel – und eine Professur mit 21 Jahren Im Jahr 1732, sie ist 21 Jahre alt, entsteht um sie ein regelrechter Hype. Sie hält Disputationen in ihrem Elternhaus, wird im März in die Akademie aufgenommen, im April folgt die erste öffentliche Disputation, einen Monat später wird ihr in einer öffentlichen Zeremonie der Doktorgrad verliehen, im Juni gibt es eine weitere öffentliche Disputation, mit der sie sich um einen Philosophie-Lehrstuhl an der Uni bewirbt, den sie Ende Oktober vom Senat bekommt.

Om Podcasten

Inspirierende Portraits von Frauen aus Wissenschaft, Wirtschaft, Technik und Politik, vorgestellt von Susanne Popp und Petra Hucke, Autorinnen historischer Romane. Habt ihr schon einmal gehört, dass die Brooklyn Bridge von einer Frau gebaut wurde? Wisst ihr, wer die Veuve Cliquot hinter der berühmten Champagnermarke war? Kennt ihr mehr als die Namen der Umweltaktivistin Rachel Carson, der promovierten Ärztin Dorothea Erxleben, der Naturforscherin Amalie Dietrich oder der Mathematikerin Ada Lovelace? Wir lesen ihre Biografien, erforschen ihre Hintergründe und präsentieren euch alle vierzehn Tage den Lebenslauf und die Lebensleistung von Frauen, die prominenter in unseren Geschichtsbüchern auftauchen sollten. Das beginnt mit universalgelehrten Frauen im frühen 17. Jahrhundert wie Anna Maria Schurmann und endet mit Politikerinnen kurz vor unserer Zeit wie Elisabeth Schwarzhaupt. Wir stöbern in Europa genauso herum wie in Nordamerika, strecken die Fühler jedoch nach und nach immer weiter aus. Starke Frauen können uns mit ihrer Durchsetzungsfähigkeit als Vorbild dienen, denn gerade in vergangenen Jahrhunderten hatten sie immer Schwierigkeiten, sich zu behaupten und einen Platz in der von Männern dominierten Welt zu finden. In unserem Podcast bekommen sie die Aufmerksamkeit, die sie verdient haben. Weitere Hintergrundinformationen zu den einzelnen Folgen und zu uns als Hosts findet ihr auf https://frauenleben-podcast.de, wo wir auch einen Blog mit weiteren Biografien und Fundstücken führen. Susanne Popp veröffentlicht in diesem Jahr beim Rowohlt-Verlag eine historische Romanbiografie über die Veuve Cliquot, die Frau hinter der gleichnamigen Champagnermarke. "Madame Cliquot und das Glück der Champagne" ist zur Zeit noch in Arbeit, aber der Erscheinungstermin steht bereits fest, nämlich der 17. November 2020 (ab 1. November als E-Book). Freut euch auf eine ebenso spannende wie unterhaltsame Geschichte über eine mutige Frau, die in schwierigen Zeiten ihren eigenen Weg geht. Petra Hucke hat nach einem Mystery-Thriller den historischen Roman "Solch ein zephyrleichtes Leben" über die Tänzerin Ida Brun veröffentlicht. Im Juli 2021 erscheint beim Piper-Verlag die Romanbiografie „Die Architektin von New York“ über Emily Warren Roebling und ihre Lebensgeschichte, die sie selbst wohl nie so hätte voraussehen können. Weitere Frauenbiografien, für die wir bereits Episoden veröffentlicht oder fest eingeplant haben: Die Archäologin Mary Leakey, die studierte Ärztin und Lehrerin Maria Montessori, die erste US-Präsidentschaftskandidatin Victoria Woodhull, die Juristin und Frauenrechtlerin Iris von Roten, die Physikprofessorin Laura Bassi, die Erfinderin Hedy Lamarr und die Chemikerin Alice Augusta Ball. Habt ihr Vorschläge für weitere Geschichten von Frauen? Wir freuen uns auf eure Ideen! Einfach eine Email schreiben an kontakt@frauenleben-podcast.de