Haus Britanien

http://www.architektur-podcast.de/wp-content/uploads/2014/07/Haus-Britanien.mp3 Audio-Podcast: 5:41 min   Kennen Sie… das Haus Britanien? Trier ist die Stadt am Fluss, die den Anschluss an selbigen verloren hat. Im Straßennamen der Krahnenstraße ist das einstige Leben am Fluss jedoch lebendig geblieben. Mit dem direkt an der Mosel liegenden Krahnen wurden einst Handelswaren aus Schiffen an Land gehoben. Die Straße war über Jahrhunderte eine wichtige Verkehrsachse ins Stadtzentrum. Mit dem Ausbau der großen Autostraße am östlichen Moselufer veränderte sich nicht nur die Straßenführung, auch die Optik in der Krahnenstraße wurde aufgefrischt, mit gotischen Bauten – echt aus den siebziger Jahren. Täglich nehmen noch heute viele Rad- sowie schlendernde Touristen den Weg von der Innenstadt an die Mosel, der im Spätmittelalter eine wichtige Handelsroute war und bis zum 1413 errichteten Krahnen des Trierer Hafens führte. Im Krahnenviertel siedelten Schiffer, Schiffsbauer und Fischer in stattlichen Bürgerhäusern in der Nachbarschaft von großen Klöstern. In seinem Buch “Das Bürgerhaus in Trier und an der Mosel” schreibt Klaus Freckmann: “Als Herz des mittelalterlichen und neuzeitlichen Güterumschlages ist die Krahnenstraße anzusehen, wo noch um 1850 Schiffer lebten.” In typischer Bauweise standen hier diverse mehrgeschossige steinerne Giebelhäuser. Der Stadtteil wurde in dem Moment weniger attraktiv, als die Handelsschifffahrt Mitte des 19. Jahrhunderts an Bedeutung verlor und das Viertel verarmte. Hiermit einher ging der Verfall der Häuser, die auch immer wieder vom Hochwasser betroffen waren. 1930 schließlich wurde der Hochwasserschutzdamm fertiggestellt und die Straße zumindest für Autofahrer zur Sackgasse. Die Barmherzigen Schwestern vom heiligen Karl Borromäus, die 1970 Richtfest für ihren großen Krankenhausneubau feierten, errichteten am unteren Ende der Krahnenstraße ein Schwesternwohnheim. Hier wurden Anfang der sechziger Jahre ebenfalls gotische Bürgerhäuser abgerissen, um Platz für die vierspurige Schnellstraße zu schaffen. Das Schicksal ereilte nicht nur Wohnhäuser, sondern auch die weiter nördlich stehende imposante Mühle des Klosters St. Martin. Genau zwischen der Krahnenstraße und der Martinsmühle stand das Haus Britanien, auch ein gotisches giebelständiges Gebäude. Wie seine Nachbarn stand es im Weg, es wurde abgerissen, die Autos hatten Vorfahrt. Und doch ist dieses Haus im Stadtbild von Trier noch präsent. Das Landesamt für Denkmalpflege forderte die Rekonstruktion des Hauses, dessen Original nach dendrochronologischen Untersuchungen aus dem Jahr 1337 stammt, wie in der Denkmaltopographie der Stadt Trier nachzulesen ist. Da am Krahnenufer aus geschilderten Gründen aber kein Platz mehr war, siedelte man das neue gotische Haus in der Krahnenstraße 18 an. Dort standen einfache Häuser, welche aber wegen zu großen Verfalls nicht mehr zu retten waren. Ein Artikel aus der Trierer Landeszeitung von 1959 zeigt einen ramponierten Straßenzug. Die Bildunterschrift macht deutlich, wie man sich die Krahnenstraße Ende der 50er Jahre in etwa vorstellen muss: „Das Haus ist über 500 Jahre alt und baufällig: in ihm wohnen neun Familien mit zehn Kindern. Wohnen kann man nicht gut sagen, denn die Räume sind ein Notquartier. […] Die Stromgebühren übersteigen das Doppelte der Miete, weil die Einwohner wegen der Dunkelheit der Zimmer tagsüber Licht brennen lassen müssen. Für die Kinder sind die Wohnverhältnisse in gesundheitlicher Hinsicht alles andere als fördernd.“ Um ein interessantes Ensemble mit dem neu entstehenden Schwesternwohnheim zu kreieren, entschloss man sich, 1970/1971 sowohl dieses Haus als auch die beiden links davon stehenden Giebelhäuser abzureißen.

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Mit den Architektur-Podcasts lässt sich Architektur und Stadtentwicklung in Trier unmittelbar vor Ort entdecken. Hören Sie den mehrminütige Beitrag, während ihr Blick über die Architektur schweifen und auf Details verweilen kann. Lernen Sie Trier neu kennen! Die Architekturessays und Perlen des Städtebaus präsentiert die Kunthistorikerin und Redakteurin Bettina Leuchtenberg. Sie geht kleinsten Hinweisen nach, die sie in Gesprächen oder der Literatur entdeckt und findet bei der näheren Betrachtung immer wieder Details und Unverhersehbares, was die steinernen Zeugnisse der Vergangenheit in aktuelle Bezüge setzten und den Blick schärfen.