Johann Gottfried Herder: Wie begegnen wir Menschen, die uns fremd sind?

Johann Gottfried Herder (1744–1803) gehört zu den am meisten unterschätzten Denkern der anbrechenden Moderne. Er zeigt unter anderem, wie die Begegnung mit Menschen(gruppen) gelingen kann, die ganz anders sind als wir. Nach einem abgebrochenen Medizinstudium studiert Herder in Königsberg Theologie – und darf bei Immanuel Kant unentgeltlich an dessen Vorlesungen teilnehmen. Durch seine Freundschaft mit Hamann wird ihm die Kraft der Sprache und Poesie erschlossen – Leidenschaften, die Herder dann in Lettland zu einer tiefen Beschäftigung mit den dortigen Volksliedern führen. Es entwickelt eine ebenso authentische wie reflektierte Volksverbundenheit und ist fasziniert von den Eigenheiten verschiedener Kulturen und Sprachgemeinschaften. Manuel diskutiert mit Peter, was sich von Herder alles für das Zusammenleben in einer pluralistischen, multikulturellen Gesellschaft lernen lässt – und es wird deutlich: eine Menge! Herder macht literarisch und biografisch vor, dass die gelungene Begegnung mit dem «Anderen» und «Fremden» nicht ohne Neugierde und Respekt auskommt. Nicht ein vorgefasster Begriff dessen, was den Menschen und seine Natur zutiefst ausmacht, kann hier leitend sein, sondern eine möglichst offene Wahrnehmung des Anderen, der auch meinen Begriff von Humanität noch einmal aufsprengt. Ganz ähnlich geht Herder dann übrigens auch mit biblischen Texten um: Er versucht sich in deren Lebenswelt hineinzudenken und sie von innen heraus zu verstehen, anstatt ihnen mit dogmatischem Vorurteil zu begegnen. Natürlich beschäftigen hier auch die Folgefragen: Wo und wie lässt sich bei aller Wertschätzung für das Andere auch Kritik anbringen? Von welchem Standpunkt aus lassen sich Phänomene unter Menschen oder Überlieferungen des Bibel kritisieren? Und woher kommt das eigene Verständnis des «Allgemeinmenschlichen», das auch Herder wichtig war? Manuel und Peter diskutieren diese Fragen auch auf dem Hintergrund aktueller Problemstellungen, etwa dem Phänomen des «Othering», das die Abwertung und Distanzierung des Fremden in unseren Gesellschaften bezeichnet.

Om Podcasten

Was wir über Gott und die Welt denken, hat nicht bei uns angefangen. Unsere weltanschaulichen und ethischen Überzeugungen stehen auf den Schultern großer Vordenker vergangener Jahrhunderte. Wir verdanken ihnen viel, dürfen ihre Vorgaben aber auch kritisch hinterfragen. In diesem Podcast nehmen Manuel Schmid und Heinzpeter Hempelmann ihre Hörer:innen mit auf eine faszinierende Zeitreise zu den Wurzeln unseres Denkens. Immer wieder werfen sie auch einen spezifisch theologischen Blick auf einflussreiche philosophische Entwürfe. Dabei wird deutlich, wie präsent die Philosophiegeschichte auch im 21. Jahrhundert ist, und wie sehr sie heutige Diskussionen in Politik, Gesellschaft und Religion mitbestimmt. «mindmaps» fordert dich heraus, mitzudenken, zu widersprechen und den eigenen Horizont zu erweitern!