Folge 4 - Gerda

In der vierten Folge der mehrteiligen Audio-Spurensuche geht es um die Beziehung meiner Großeltern. Als Kind, als Enkel, ist vieles selbstverständlich. Vor allem Oma und Opa. Unter welchen Bedingungen und vor allem unter welchen Vorzeichen sich beide kennengelernt haben, weiß ich erst heute. Frankfurt in den 1950er Jahren. Im Hintergrund läuft Jazzmusik. Menschen fangen wieder an etwas das Leben zu genießen. Die ersten Nachkriegsjahre. In denen ein junger Mann aus Polen - Tadschu - seine Gerda trifft. Sie: Krankenschwester. Er Wachmann, Civilian Guard bei den US-Amerikanern. Eine Liebe, die nur ein paar Jahre zuvor undenkbar gewesen wäre. Aber auch Gerda hat eine Vergangenheit - eine Kindheit, die durch das Nazi-Regime in Deutschland geprägt wird. Für sie beim Jungmädelbund.

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Tadschu war Pole. Und er war Zwangsarbeiter, "heimatloser Ausländer", "Displaced Person". Wie viele, schwieg er über seine Zeit im 2. Weltkrieg. Über seine Verschleppung. Ängste, Sorgen. Seine Erlebnisse in Fabriken und Lagern. Ein Leben zwischen den Mächten und Interessen eines Kontinents in Aufruhr. Tadschu - Tadeusz Sirotkin - war mein Großvater. Er wurde 1919 in Polen geboren. Den Krieg hat er unversehrt überlebt. "The Bearer is a displaced person" stand auf seinem Ausweis. Sein Heimatland Polen hat er allerdings nie wieder gesehen. Er blieb nach dem Krieg in Deutschland. Warum? Das habe ich mich lange gefragt. Nicht gewusst. Wie so vieles, was nie hinterfragt worden ist. Doch seine Geschichte ist ein Beispiel für Heimat und Herkunft. Vergessene, verdrängte Schicksale. Und der Ursprung all dessen. Heute ist Deutschland meine Heimat. Ein Zufall der Geschichte. Deshalb kann ich jetzt davon erzählen.