Tadschu Interviews - #2 Erinnerungsorte: Thomas Altmeyer

Das ist die zweite Ausgabe der Tadschu-Interviews. Es gibt mehr und mehr Projekte, die sich dem Thema Zwangsarbeit angenommen haben. Dennoch ist es auch so, dass das Thema nicht zentral im Fokus der Aufarbeitung, der Erinnerungskultur in Deutschland steht. Obwohl das System Zwangsarbeit während des zweiten Weltkriegs wahnsinnig viele - Millionen Leben verändert hat. Auf ganz unterschiedliche Weise. Ich konnte bislang im Detail das ankratzen, was ich erzählen kann, eben weil mein Großvater, weil Tadschu, den Krieg überlebt hat. Als Pole in Deutschland. Verschleppt. Als ziviler Zwangsarbeiter in einer Fabrik. Fabrik, Zwangsarbeit, Konzentrationslager. Das steht gleich am Eingang des Geschichtsorts Adlerwerke in Frankfurt am Main. Wie Tadschu, waren auch hier Menschen in einer Fabrikanlage - mussten Zwangsarbeit leisten. Heute ist es keine Gedenkstätte im eigentlichen Sinn. Eher ein Dialog-Raum. Der einlädt, Gespräche zu führen. Und darum soll es dieses Mal gehen: Wenn wir uns erinnern, wie tun wir das? Welche Erinnerungsorte sind es, die uns weiterbringen? Und wie? Darüber sprechen Thomas Altmeyer und ich. Patrick Figaj. Thomas Altmeyer ist unter anderem der Leiter des Studienkreises Deutscher Widerstand 1933-1945. Er lehrt an der Uni Frankfurt. Und er ist der Leiter des Geschichtsorts Adlerwerke in Frankfurt. Das Gespräch ist Mitte Juli 2022 im Geschichtsort Adlerwerke in Frankfurt entstanden.

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Tadschu war Pole. Und er war Zwangsarbeiter, "heimatloser Ausländer", "Displaced Person". Wie viele, schwieg er über seine Zeit im 2. Weltkrieg. Über seine Verschleppung. Ängste, Sorgen. Seine Erlebnisse in Fabriken und Lagern. Ein Leben zwischen den Mächten und Interessen eines Kontinents in Aufruhr. Tadschu - Tadeusz Sirotkin - war mein Großvater. Er wurde 1919 in Polen geboren. Den Krieg hat er unversehrt überlebt. "The Bearer is a displaced person" stand auf seinem Ausweis. Sein Heimatland Polen hat er allerdings nie wieder gesehen. Er blieb nach dem Krieg in Deutschland. Warum? Das habe ich mich lange gefragt. Nicht gewusst. Wie so vieles, was nie hinterfragt worden ist. Doch seine Geschichte ist ein Beispiel für Heimat und Herkunft. Vergessene, verdrängte Schicksale. Und der Ursprung all dessen. Heute ist Deutschland meine Heimat. Ein Zufall der Geschichte. Deshalb kann ich jetzt davon erzählen.